Krise der deutschen Autozulieferer: Statement des AMZ in der Berliner Zeitung
Der Druck auf die Automobilzuliefererbranche nimmt stetig zu. Unser Netzwerkmanager Andreas Wächtler hat dazu der Berliner Zeitung ein klares Statement abgegeben.
Unter dem Titel „Autozulieferer könnten Deutschland verlassen? Die Krise spitzt sich zu“ veröffentlichte die Berliner Zeitung am 8. August 2024 einen Artikel zur aktuellen Krise der deutschen Automobilzuliefer-Branche.
Wie nimmt das AMZ Sachsen die aktuelle Situation wahr, was sind die Gründe und was muss passieren, damit die Krise eingedämmt werden kann? Andreas Wächtler gab dazu ein klares Statement ab. Lesen Sie hier den kompletten Artikel:
> Berliner Zeitung | Autozulieferer könnten Deutschland verlassen? Die Krise spitzt sich zu
Statement von Andreas Wächtler (AMZ Sachsen) zur aktuellen Situation der Automobilzulieferindustrie
Das AMZ Sachsen nimmt den zunehmenden Druck auf die Automobilzulieferer-Branche deutlich wahr. „Der Druck steigt und steigt und steigt!“.
Auf Grundlage von über 100 Gesprächen mit Top-Managern der Zulieferindustrie zählt Andreas Wächtler folgende Gründe für die aktuelle Krise auf:
„Hohe Energiepreise
Die Steigerungsraten für Elektroenergie und Gas lagen bei den Firmen zwischen 20% und 50% (vertragliche Bindung) und einer Verdopplung der Ausgaben. Diese Mehrkosten können nicht in vollem Umfang auf die Endpreise der Produkte umgelegt werden. Dies führte und führt bei den Aufträgen trotz guter Auslastung zur erheblichen Schmälerung des Gewinns bzw. bis zur unteren Grenze der Wirtschaftlichkeit.
Materialengpässe, Materialpreise
Lieferschwierigkeiten bei notwendigen Ersatzteilen für die Produktionsanlagen und Vormaterial für den Fertigungsprozess. Damit verbunden ist ein hoher organisatorischer Aufwand, um Projekte und Aufträge termingerecht zu erfüllen.
Weiterhin hat es innerbetrieblich erheblichen Einfluss auf die Personalbedarfsplanung.
Erschwerend dazu kommen die gestiegenen Materialpreise. Diese lagen beispielsweise bei metallurgischen Erzeugnissen um bis zu 30% über dem Niveau des Vorjahres.
Volatile Märkte
Die besuchten Firmen sind größtenteils Tier2 und Tier3 Lieferanten. Damit besteht eine große Abhängigkeit in den Lieferketten. Volumenschwankungen bis zum Wegfall von kompletten Aufträgen kennzeichneten die derzeitige wirtschaftliche Instabilität. Als Beispiel wurden Auftragsstornierungen um 95% genannt, obwohl dafür in neue Bearbeitungsmaschinen investiert wurde.
Ausbleibende und rückläufige Vorschauzahlen, durch unsichere Auftragslagen bei der Fertigung von E-Fahrzeugen, durch die OEM`s birgt hohes Risiko hinsichtlich Auslastung, Kosten und Bedarfsplanung.
Personalsituation
Die Personalsituation stellte sich bei den Unternehmen unterschiedlich dar. Einerseits besteht ein hoher Anteil an Fachkräften der größtenteils noch abgesichert ist, anderseits konnten Stellen von Auszubildenden nicht besetzt werden. Es gibt zu wenig Bewerber oder die Anforderungen an den Ausbildungsplatz wurden nicht erfüllt. Dies ist besonders im zerspanenden Gewerbe des Automotivbereiches zutreffend.
Dabei steht die Attraktivität des künftigen Arbeitsplatzes im direkten Zusammenhang mit der Anzahl der Bewerbungen. Attraktiv sind z.B. Büroarbeitsplätze, Kein Schichtsystem, Hoher Anspruch an den späteren Arbeitsplatz, Work-Life-Balance
Weniger attraktiv sind z.B. Produktionsarbeitsplätze mit stehender Tätigkeit, Einsatz in der Logistik, Spätere monotone Arbeitsabläufe, Angelernte Tätigkeiten
Außerdem waren bei Hilfskräften mit angelernten Tätigkeiten hohe Fluktuationen zu verzeichnen. So waren bei einer besuchten GmbH an dem Standort Mitarbeiter aus 30 Nationen im Einsatz. Die Fluktuationsrate der Gesamtbelegschaft lag jährlich im Durchschnitt bei 25-30%.
Diese kritische Situation wird sich nach Einschätzung der Firmen in den nächsten 5 Jahren deutlich verschärfen.
Investitionen
In den Unternehmen herrscht eine hohe Investitionsunsicherheit. Als Gründe wurden dazu vordergründig die politischen Rahmenbedingungen genannt. Dazu zählen Hoher bürokratischer Aufwand bei Erstellung und Einreichen von Förderanträgen, Lange Entscheidungswege, Hohe Inflation belastet Zinssätze, Unsicherer Anteil der Höhe von eigenen Investitionsmitteln durch die aufgeführten Gründe in den Punkten 1-3 , Zu geringer Cash-Flow und schwache finanzielle Rücklagen
Erschließung von neuen Geschäftsfeldern
Die Erschließung von neuen Geschäftsfeldern war zu dieser Zeit extrem schwierig, da die Marktanteile weitestgehend aufgeteilt sind. Es herrscht Unsicherheit in welche Richtung man sich entwickeln möchte. Eine Abwendung vom hohen Automotivanteil war eine der Kernaussagen (Risiko E-Mobilität, Wasserstofftechnologien derzeit zu teuer, unsichere Vorausplanungen).“
Die Automobilindustrie als als eine der größten Wirtschaftszweige in Deutschland ist in Gefahr.
„Wir werden wahrscheinlich Produktionskapazitäten in D verlieren, damit einhergehend viele Arbeitsplätze. Das ist die größte Gefahr. Vor allem preissensitive Fahrzeuge können nicht mehr im teuren D produziert werden. Diese Thematik sehen wir seit Jahren. Die Konzerne verdienen trotzdem ihr Geld, wenn VW und Co im Ausland für den Weltmarkt produzieren und nicht mehr in D. Interessant wird sicherlich sein, in welchen Land der Sales besteuert wird.“
Zudem zeichnet sich ab, dass sich deutsche Zulieferer Stück für Stück ins Ausland verlagern.
„Aktuell sind wir als Produktionsstandort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig, daher die Krise. Die Krise ist auch eine politische Krise. In D sind alle Prozesse hochkomplex und hochkompliziert und offensichtlich nicht mehr beherrschbar. Das führt zum deutschen Schneckentempo, siehe Infrastrukturprojekte, Genehmigungsverfahren usw.
Wie wir aus dieser Nummer rauskommen wollen, kann ich leider nicht beantworten….“